So digital ist das deutsche Gesundheitswesen

Studie

Veröffentlicht 15.12.2020 09:30, Kim Wehrs

Die digitale Transformation kann nicht nur Patienten eine effizientere Behandlung bieten, sondern auch das medizinische Personal entlasten. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt die COVID-19-Pandemie. Das Virus hat in vielen Ländern als Digitalisierungsbeschleuniger gewirkt. Doch wie ist der digitale Reifegrad von Krankenhäusern in den Märkten? Wie unterscheiden sich die verschiedenen europäischen Gesundheitssysteme in puncto digitaler Transformation? Dies untersucht eine aktuelle Studie von Deloitte, für die medizinisches Personal in sieben europäischen Ländern befragt wurde. (1)

Auch unabhängig von der aktuellen Pandemie ist der Bedarf an digitalen Technologien im Gesundheitswesen hoch – und Investitionen in die digitale Infrastruktur sind entscheidend, um die Zukunft im Ökosystem Gesundheit zu gestalten. Digitale Technologien kommen im Gesundheitswesen mittlerweile schon an einigen Stellen zum Einsatz, es besteht derzeit in Deutschland aber noch Nachholbedarf, da viele Technologien noch zu wenig genutzt werden. Hier gibt es weiterhin große Potenziale, die gehoben werden können. So auch das Fazit der deutschen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer: 95 Prozent der Befragten, die in Krankenhäusern tätig sind sowie 78 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Tageskliniken und Arztpraxen haben großes Vertrauen in digitale Technologien und glauben, dass diese die Patientenversorgung verbessern können. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie lauten:

Digitale Krankenakte am beliebtesten

Aktuell werden digitale Technologien im Medizinbetrieb vor allem für administrative und planerische Aufgaben eingesetzt. Allem voran steht die digitale Krankenakte, die von drei Viertel der Befragten genutzt wird. Die Technologie erbringt zudem den erwarteten Nutzen: 78 Prozent der Befragten sehen in der digitalen Krankenakte Vorteile für effizientes Arbeiten und eine gute Patientenversorgung. Weitere Technologien, die vielerorts zum Einsatz kommen, sind digitale Dienstpläne (52 Prozent) sowie spezifische Apps für Klinikpersonal (44 Prozent). Beides wird auch mit Blick auf die Versorgung positiv bewertet.

Potenzial von Telemedizin noch nicht ausgeschöpft

Ein gegensätzliches Bild zeichnet sich bei der sogenannten Telemedizin ab, also Technologien zur Betreuung von Patienten via Telefon und Videochat. Nur 30 Prozent des medizinischen Personals gibt an, Telemedizin zu nutzen. Einen Vorteil für die Patientenversorgung sehen hier jedoch mehr als doppelt so viele Befragte (64 Prozent). In Ländern wie Dänemark und den Niederlanden nutzen bereits um die 60 Prozent der Befragten diese Technologien erfolgreich zum Patientendialog. Derzeit viel diskutierte Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR) werden im europäischen Vergleich überall
bisher eher vereinzelt genutzt. Auch im deutschen Gesundheitswesen spiegelt sich dieses Ergebnis wider (KI zu 7 Prozent und VR zu 4 Prozent). Immerhin glaubt ein Drittel der Befragten, dass diese Technologien Vorteile für die Patientenversorgung bringen könnten. Genauso viele Befragte sind sich bei diesen fortschrittlicheren Technologien – darunter auch Genomdaten und Robotertechnik – jedoch unsicher.

Hürden beim Einsatz digitaler Technologien

Bevor neue Technologien eingeführt werden, sind im deutschen Gesundheitssystem vor allem organisatorische Hürden zu überwinden. Das medizinische Personal sieht sich konfrontiert mit Bürokratie (61 Prozent), hohen Kosten (57 Prozent) und Schwierigkeiten, die passende Technologie zu finden (42 Prozent). Zudem fühlen sich viele Befragte noch zu wenig in digitale Strategien eingebunden. Sie finden auch, dass der Arbeitgeber noch nicht gut auf den Einsatz der Technologien vorbereitet ist. Mit 46 Prozent gibt fast die Hälfte der Befragten an, noch nicht genügend Unterstützung bei der Anwendung der Technologien
zu erhalten. Einen Ausweg aus dieser Situation bieten Trainings. Immerhin 44 Prozent der Befragten finden, dass sie bereits genügend Trainings erhalten – 53 Prozent sind allerdings entgegengesetzter Meinung. Gut ein Drittel der Allgemeinmediziner (32 Prozent) und ein Fünftel der Fachärzte (21 Prozent) wurde bisher noch gar nicht trainiert.

Zukunftsprogramm Krankenhäuser

Bis zur vollkommen digitalisierten medizinischen Organisation ist es aus Sicht vieler Befragter noch ein längerer Weg. Maximal fünf Jahre wird es nach Einschätzung von mehr als der Hälfte der Befragten (54 Prozent) noch dauern. Viele geben an, dass der Zeithorizont eher bei 8 bis 10 Jahren liegen wird (38 Prozent). Das vier Milliarden Euro schwere Investitionsprogramm von Bund und Ländern im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes dürfte jedoch in deutschen Krankenhäusern als Digitalisierungsbeschleuniger wirken.

Vertrauen in digitale Technologien

Studienfrage: „Vergleicht man den digitalen Reifegrad von deutschen Krankenhäuser mit anderen europäischen Ländern, fällt auf, dass in Summe nur wenige Krankenhäuser die höchsten Stufen des Reifegradmodells der Non-Profit Organisation HIMSS erreichen. Es gibt somit noch große Potenziale, die europaweit nicht voll ausgeschöpft werden.“ Dem stimmen die deutschen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer klar zu: 86 Prozent haben großes Vertrauen in digitale Technologien. Sie sind überzeugt, dass diese die Patientenversorgung weiterhin verbessern können.

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(1)Deloitte-Studie „Closing the digital gap – Shaping the future of European
healthcare“. In der multinationalen Studie wurden 1.800 in der Patientenversorgung
tätige Mediziner und Pflegekräfte aus sieben europäischen
Ländern zum Stand der digitalen Transformation und zu den Auswirkungen
von COVID-19 befragt. In Deutschland haben 400 Personen aus dem Gesundheitswesen an der Befragung teilgenommen.

Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe Dezember 2020


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