Die Praxistauglichkeit muss sich noch unter Beweis stellen

Expertenmeinung AKG

Veröffentlicht 18.07.2023 13:00, Kim Wehrs

Krankenhäuser können Projekte im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) auch nach Ende 2024 abschließen. Dazu legten die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband eine „Digitalisierungsabschlags-Vereinbarung“ mit neuem Sanktionskatalog bei Verstößen gegen KHZG-Umsetzungsfristen vor. Zum 1. August 2023 soll die Vereinbarung, die bis ins Jahr 2031 reicht, wirksam werden. Welche Auswirkungen sind zu erwarten? Nils Dehne, Geschäftsführer der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser e.V. (AKG), kommt zu Wort.

Foto: Nils Dehne, Geschäftsführer der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser e.V. (AKG): „Eine strategische Neuausrichtung eines Krankenhauses im Hinblick auf sein KIS geht weit über den derzeitigen Förderhorizont hinaus.“
 

Was muss bei der „KHZG-Digitalisierung“ für einen nachhaltigen Vorteil hauptsächlich „reformiert“ werden?

Nils Dehne:  Das KHZG ist eine wertvolle Grundlage für die Digitalisierung der Prozesse in einem Krankenhaus. Angesichts der fehlenden personellen und finanziellen Mittel braucht es für eine zukunftsfähige Versorgung auch eine Digitalisierung der Versorgungsprozesse. Hierfür bietet das KHZG nur geringe Ansätze und es fehlt eine entsprechende Verankerung im Leistungsrecht.
 

Was bedeutet die Fristverlängerung im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) bis ins Jahr 2031 für die KIS-Strategie der Krankenhäuser? Wie weit ist der bisherige Umsetzungs-Engpass  mit Blick auf Ressourcen durch den erweiterten KHZG-Zeitrahmen beseitigt?

Nils Dehne:  Es wäre ein Trugschluss von einer Fristverlängerung bis ins Jahr 2031 zu sprechen. Mit der  vorliegenden Vereinbarung zwischen den Selbstverwaltungspartnern wird der bestehende rechtliche Verhandlungsspielraum im Sinne einer schrittweisen und klar priorisierten Umsetzung der KHZG-Projekte genutzt. Damit reduziert sich kurzfristig das Risiko von erheblichen Sanktionen für nicht umgesetzte KHZG-Projekte. Grundsätzlich bleiben die Umsetzungsfristen jedoch unverändert. Diese sind auch gesetzlich verankert und nicht durch die Selbstverwaltungspartner anzupassen.

Aufgrund der kurzen Umsetzungsfristen und dem erheblichen Umsetzungsaufwand ist es für die Krankenhäuser eine große Herausforderung, auch ihre KIS-Strategie in diesem Zusammenhang neu auszurichten. Eine strategische Neuausrichtung eines Krankenhauses im Hinblick auf sein KIS geht weit über den derzeitigen Förderhorizont hinaus. Gleichwohl erscheint es sinnvoll, im Rahmen der KHZG-Projekte gezielt in Maßnahmen für eine strategische Unabhängigkeit bzw. Flexibilität hinsichtlich des eigenen KIS-Anbieters hinzuwirken.
 

Wie weit könnte sich die bestehende Auftragsflut der Krankenhäuser durch die Fristverlängerung von Industrie und Beratung sowie SAP-Partnern wirksam bewältigen lassen?

Nils Dehne:  Da es sich nicht um eine Fristverlängerung handelt und die Beauftragung ein zentrales Bewertungskriterium im Rahmen der Sanktionsvereinbarung bleibt, wird sich an der Auftragsflut wenig ändern. Jedes Krankenhaus hat weiterhin ein großes Interesse an einer schnellstmöglichen Implementierung, um Risiken aus einer möglichen Verzögerung und damit verbundenen Sanktionen zu vermeiden.

Welche Auswirkungen kann die Fristverlängerung auf Betriebskosten und Refinanzierung haben?

Nils Dehne:  Die getroffene Sanktionsvereinbarung hat keine Auswirkungen auf die Betriebskosten und Refinanzierung. Es wird schlicht das Risiko von kurzfristigen Sanktionszahlen reduziert.

Wie praxistauglich beurteilen Anwender das neue Bewertungskonzept (mit der Abschlagshöhe)? Wie weit schlagen Kriterien wie „Verfügbarkeit“ und „Nutzung der digitalen Dienste“ auf Basis eines Soll-Ist-Abgleichs zu Buche?

Nils Dehne:  Hierzu sind kurzfristig noch keine detaillierten Aussagen möglich. Die Selbstverwaltungspartner haben mit der Vereinbarkeit einen verantwortungsvollen Umgang mit dem gegebenen gesetzlichen Verhandlungsspielraum bewiesen. Natürlich führt das zu einer gewissen Komplexität, die in dem bereitgestellten Tool bereits abgebildet ist und somit für alle Akteure ausreichend Zeit der Einarbeitung sicherstellt. Die Praxistauglichkeit muss sich in den Verhandlungen auf der Ortsebene noch unter Beweis stellen.

Wie könnte sich aus Sicht der Anwender der KHZG-Prozess vor allem verbessern lassen? Welche Maßnahmen für einen spürbaren Mehrwert sind denkbar?

Nils Dehne:  Aufgrund der begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen brauchen wir mehr Anreize für kooperative Lösungen in allen Bereichen der Krankenhäuser. Diese Ansätze kommen im KHZG noch deutlich zu kurz und werden nicht ausreichend gefördert. Eine koordinierte und kooperative Vorgehensweise ist immer mit zusätzlichen Abstimmungsaufwendungen zum Projektbeginn verbunden. Die tatsächlichen Vorteile entstehen jedoch erst langfristig im operativen Betrieb. Hierfür bräuchte es mehr Spielraum und zusätzliche Anreize.


Das Interview führte Wolf.-Dietrich Lorenz

 


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