Health-IT Talk Berlin-Brandenburg: Charité und Vivantes bauen plattformbasierte Vernetzung auf Standards

HealthIT

Veröffentlicht 08.05.2023 18:50, Dagmar Finlayson

Vor einem Jahr haben Charité - Universitätsmedizin Berlin und Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH eine gemeinsame Infrastruktur zum digitalen Austausch strukturierter Behandlungsdaten in Betrieb genommen. Dieses Konzept der digitalen Vernetzung wird mit weiteren Kliniken in Berlin ausgebaut. Status quo und Perspektiven skizzierten im Health-IT Talk Berlin-Brandenburg Mai 2023 Martin Peuker, CIO der Charité - Universitätsmedizin Berlin, und Nils Alwardt, Ressortleiter IT und Digitalisierung bei Vivantes - Netzwerk für Gesundheit GmbH. Ihr Credo: Standards, so schnell wie möglich. Moderator war Markus Beck, BVMI.

von Wolf-Dietrich Lorenz

Seit dem vergangenen Jahr können Mitarbeitende von Charité und Vivantes gemeinsam auf medizinisch relevante Patientendaten wie etwa aktuelle Laborwerte, Vitalzeichen oder schon früher erfasste allgemeine Gesundheitsdaten zugreifen. Das erleichtert die Arbeit, verringert Fehler und verbessert die Behandlungsqualität. Die Referenten Peuker und Alwardt betonten: „Was uns ganz wichtig ist: Es ist auch Technik, aber im Wesentlichen reden wir über medizinische Prozesse und medizinische Versorgungsinnovationen.So denken wir auch das Projekt und gestalten die Projektorganisation.“

IOP-Plattform

Diese Vernetzung soll nicht exklusiv bleiben, denn sie lebt von der Beteiligung möglichst vieler Kliniken. Auf Initiative von Charité und Vivantes fand am 29. März 2023 ein erstes Symposium einer jährlichen Serie zur digitalen Vernetzung der Berliner Kliniken unter Schirmherrschaft der damaligen Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (SenWGPG) und der Berliner Krankenhausgesellschaft e.V. (BKG) statt. Bei dem Symposium wurden konkrete Anwendungsfälle besprochen sowie technische und rechtliche Fragen geklärt.

Martin Peuker, CIO der Charité - Universitätsmedizin Berlin

 

Nils Alwardt, Ressortleiter IT und Digitalisierung bei Vivantes - Netzwerk für Gesundheit GmbH

Beispiele sind die drei Anwendungsfälle. Für diese Use Cases sind die Herausforderungen prozessuale Themen. Peuker pointierte: „Fragen Sie mal die Geschäftsführungen nach der Prozesslandkarte, besonders der unternehmenskritischen Prozesse." Technologische Fragestellungen sind  gelöst.

Ergebnisse des ersten Symposiums

Klinikunternehmen im plattformbasierten Datenaustausch

Die Pionierarbeit von Charité und Vivantes wollen weitere Krankenhausträgernutzen. Im nächsten Schritt verpflichten sich laut Initiatoren zehn beteiligte Klinikträger mit zusammen 34 Klinikstandorten in einem Letter of Intent (LOI) den Datenaustausch nach gemeinsamen Standards in den Bereichen Notaufnahme, Fallkonferenzen und Geriatrie voranzutreiben. So entsteht schrittweise eine gemeinsame, digitale Infrastruktur in der Gesundheitsregion, die allen Kliniken offen steht und auch auf Brandenburg ausgedehnt werden kann. Mit Charité und Vivantes betreiben damit 12 Klinikunternehmen plattformbasierten Datenaustausch. Sie repräsentieren mehr als drei Viertel der Klinikbetten in der Stadt.

 

Moderation: Markus Beck, BVMI e.V. – Berufsverband der medizinischen Informatiker

Standards und Kompatibilität

Hierbei steht die optimale, standortübergreifende Versorgung der Patienten im Fokus: Relevante Informationen beispielsweise zu Vorerkrankungen, Vitaldaten und Medikation, die in einem anderen Krankenhaus zuvor erfasst wurden, können zur Fortsetzung der Behandlung sofort verwendet, also wertvolle Zeit gespart und Mehrfach-Untersuchungen sowie wiederholte Anamnesegespräche vermieden werden.

Peuker und Alwardt konstatierten: „Wir denken unsere Kooperation auf Basis von Interoperativitätsstandards völlig unabhängig von dem jeweiligen KIS. Dies gilt nicht nur für Charité und Vivantes, sondern auch entsprechend für die weiteren Partner.“ Sie agieren auf Basis von Standards und schaffen Kompatibilität, so dass auch andere mitspielen können. Die Kooperationspartner zum Projektstart sind: 

  • Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee
  • Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin
  • Berliner Kliniken der Johannesstift Diakonie
  • BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin
  • DRK Kliniken Berlin
  • Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe
  • Jüdisches Krankenhaus Berlin
  • Park-Kliniken Berlin
  • Sankt Gertrauden-Krankenhaus
  • Vitanas Klinik für Geriatrie Berlin

Verpflichtung der Hersteller

Völlig im grünen Bereich ist die Technik noch nicht. Die vorhandenen Krankenhausinformationssysteme KIS sind vielgestaltig.

Sie unterstützen die Aufgaben eines Krankenhauses durch Erfassung und Bereitstellung von Informationen. Dies erfolgt durch eine Vielzahl verschiedener Anwendungssysteme, die mit-einander kommunizieren und somit integriert werden müssen. Die Komplexität und Heterogenität der KIS kann durch  systematische Interoperabilität beherrscht werden. Die KIS müssen identische Profile aufweisen, und zwar in kurzer Zeit. „Es ist kein Geheimnis, dass wir uns auf den Weg machen müssen,“ so die Referenten. Strategien sind im Umlauf, die auf absehbare Zeit den Anforderungen nicht mehr entsprechen. Hersteller müssen Standards erfüllen. „FHIR ja, aber wir brauchen ebenso eine gute Modellierungsebene.“ Ihr Credo: Standards sind zum Kern jedes Handelns im Haus zu machen. „Also: Es muss eine Verpflichtung der Hersteller für Datenimport- und -Export-Standards geben.“ Das geht jedoch zu langsam. „Wir brauchen jetzt Standards, so schnell wie möglich.“

 

Basis der Digitalisierungsstrategie beider Kliniken

 

Gesundheitsstadt Berlin 2030: Vivantes, Charité und weitere Krankenhausträger vertiefen Kooperation

Die Klinikbetreiber Vivantes und Charité sehen große Chancen darin, in einer engeren Zusammenarbeit einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität zu leisten und Berlin als „Gesundheitsstadt 2030“ weiter zu entwickeln. Gemeinsam können die Partner unter anderem die Umsetzung medizinischer Forschungsergebnisse in die breite Versorgung (Translation) entscheidend voranbringen.