Nachhaltig handeln in Tech und Gesundheit: Ziele und Wege für die Zukunft

Interview

Veröffentlicht 24.11.2023 08:50, Wolf-Dietrich Lorenz

Nachhaltigkeitsziele in der IT-Branche sowie im Gesundheitswesen skizziert Prof. Dr. Anabel Ternès im Interview mit dem Krankenhaus IT Journal. Die Geschäftsführende Direktorin, SRH Institut für Nachhaltiges Management, gibt Impulse, wie das Management seiner Verantwortung nachkommen und den CO2-Fußabdruck reduzieren kann. Herausforderungen als auch Chancen für die Nachhaltigkeit sind vorhanden.
 

Mit dem Siegeszug der Digitalisierung nimmt der ökologische Fußabdruck zu, den IT-Infrastrukturen auf der Welt hinterlassen. Wo stehen wir?

Prof. Ternès: Die Digitalisierung steigert definitiv weltweit den ökologischen Fußabdruck der IT. Googles Rechenzentrum verbrauchte 2019 mehr Energie als ganz Argentinien, laut Greenpeace. Apple, trotz Elektroschrottproblemen, plant bis 2030 klimaneutral zu sein und verbessert Lieferkette sowie Recyclingpraktiken. Die digitale Transformation bringt nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen für die Umwelt. Unternehmen müssen verstärkt auf erneuerbare Energien, energieeffiziente Technologien und transparente Nachhaltigkeitspraktiken setzen, um den ökologischen Fußabdruck der digitalen Infrastruktur zu minimieren.


Nachhaltigkeit: IT ist Teil des Problems – oder der Lösung?

Prof. Ternès: Die Frage, ob die IT Teil des Nachhaltigkeitsproblems oder -lösung ist, erfordert eine differenzierte Betrachtung. Der Energieverbrauch von Rechenzentren, etwa 200 Milliarden Kilowattstunden Strom, trägt zweifellos zu einem erheblichen ökologischen Fußabdruck bei. Doch einige Unternehmen wie Microsoft setzen innovative und nachhaltige Lösungen um. Microsoft strebt an, bis 2030 CO2-negativ zu sein und alle Emissionen seit 1975 auszugleichen. Salesforce plant, bis 2050 vollständig CO2-neutral zu sein, berichtet regelmäßig über Fortschritte und setzt auf erneuerbare Energien. Diese Beispiele zeigen, dass die IT-Branche sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die Nachhaltigkeit birgt. Proaktive Unternehmen können einen positiven Beitrag durch umweltfreundliche Technologien und nachhaltige Geschäftspraktiken leisten.
 

Wie können IT-Industrie sowie IT-Anwender im Gesundheitswesen ihrer Verantwortung verstärkt nachkommen und ihren CO2-Fußabdruck reduzieren?

Prof. Ternès: Die IT-Industrie und das Gesundheitswesen können den CO2-Fußabdruck reduzieren durch:

1.      Energieeffiziente Rechenzentren: Google betreibt seit 2007 Rechenzentren mit erneuerbarer Energie und will bis 2023 kohlenstofffrei sein.

2.      Cloud Computing für Effizienz: AWS plant bis 2030 vollständig erneuerbare Energien und bis 2040 CO2-Neutralität.

3.      Energieeffiziente Hardware: Dell setzt auf energieeffiziente Server und Speichersysteme.

4.      Virtualisierung und Konsolidierung: VMware z. B. bietet Lösungen zur Steigerung der Effizienz durch Servervirtualisierung.

5.      Elektronische Gesundheitsakten (EHR): Der Übergang zu EHR reduziert Papierverbrauch und verbessert Patientendatenverwaltung.

6.      Telemedizin und Remote-Arbeit: Unternehmen wie Doximity fördern virtuelle Patientenversorgung und reduzieren CO2 durch weniger physische Reisen. Kombination von erneuerbaren Energien, effizienten Technologien und innovativen Ansätzen reduziert den CO2-Fußabdruck von IT-Industrie und Gesundheitswesen.
 

Welche Nachhaltigkeitsziele stehen für das Management in der IT-Industrie sowie im Gesundheitswesen im Blick über Ressourcenschonung und Klimaschutz hinaus? 

Prof. Ternès: Das Management in der IT-Industrie und im Gesundheitswesen setzt über Ressourcenschonung und Klimaschutz hinaus auf weitere Nachhaltigkeitsziele:

1.      Soziale Verantwortung und Inklusion: Microsoft plant bis 2030 mehr CO2 zu entfernen, als seit Gründung 1975 ausgestoßen wurde.

2.      Digitale Gleichberechtigung und Zugänglichkeit: Apple strebt an, neue Produkte bis 2030 vollständig zirkulär und klimaneutral zu gestalten.

3.      Ethik und Datenschutz: IBM will bis 2030 100 % erneuerbare Elektrizität nutzen und seine CO2-Emissionen um 65 % reduzieren.

4.      Bildung und Forschung: Siemens Healthineers zielt darauf ab, bis 2030 klimaneutral zu sein und setzt auf Bildung und Forschung.

5.      Innovation und Technologieführerschaft: Alphabet plant, bis 2022 alle operativen Standorte klimaneutral zu gestalten. Diese Beispiele zeigen, dass soziale, ethische und innovationsbezogene Nachhaltigkeitsziele im Fokus des Managements stehen.
 

Hören Sie hier den Podcast-Interview mit Prof. Ternès.

 

Foto

Prof. Dr. Anabel Ternès gilt als einer der führenden Köpfe für Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die Zukunftsforscherin, Autorin und Gründerin nachhaltiger Startups leitet das Institut für Nachhaltigkeit Management. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem German Futurology Award, Google Impact Challenge Award und als LinkedIn Top Voice Nachhaltigkeit.

 


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