KHZG-Maßnahmen: 6 typische Fallstricke, die IT-Entscheider kennen sollten

KHZG

Veröffentlicht 07.12.2021 09:00, Dagmar Finlayson

Die Gelder aus dem Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) sind bewilligt und die deutschen Krankenhäuser starten in das nächste Digitalisierungs-Level. Damit das Geldgeschenk nicht zur Kostenfalle wird, sollten IT-Verantwortliche erfolgskritische Herausforderungen bei der Umsetzung kennen und beachten. 

Ist die initiale Hürde der Fördermittelbeantragung aus dem KHZF einmal genommen, beginnen die tatsächlichen Herausforderungen: Bis Januar 2025 müssen alle deutschen Krankenhäuser eine Vielzahl an digitalen Anforderungen erfüllen und nachweisen, dass digitale Strukturen in den Krankenhäusern implementiert sind – ansonsten drohen empfindliche Sanktionen.

Aber Vorsicht: mit zunehmendem Zeitdruck steigt auch das Risiko für Fehlinvestitionen und Pannen bei der Umsetzung, die dazu führen, dass sich Modernisierungsmaßnahmen in langfristige Kostentreiber verwandeln. Hinzu kommt, dass gerade im Krankenhauskontext spezifische Rahmenbedingungen existieren, die eine Implementierung von digitalen Lösungen erschweren können.

Wir zeigen Ihnen die 6 erfolgsentscheidende Herausforderungen im Kontext des digitalen Krankenhauses und wie sie bewältigt werden können:#

1. Historisch gewachsene Komplexität

Die in deutschen Krankenhäusern vorherrschende Systemlandschaft ist über viele Jahre gewachsen und in vielen Teilen veraltet. Die so entstandenen Insellösungen erschweren eine zügige Integration von ganzheitlichen IT-Lösungen und behindern eine Sektor-übergreifende Vernetzung.

Echte Innovationen beruhen zudem nicht allein auf der Einführung neuer Soft- oder Hardware, sondern setzen auch eine Veränderung der Arbeitsabläufe voraus. Die digitale Transformation des Gesundheitssystems muss daher von allen beteiligten im Gesundheitssystem nicht bloß aufgenommen, sondern auch aktiv gestaltet und umgesetzt werden.

2. Verschränkung von fachlichen und technischen Anforderungen

Bei vielen Anwendungen im medizinischen Bereich handelt es sich um komplexe Systeme mit komplexen Anforderungen.  

Digitale Lösungen müssen daher nicht nur eine spezifische Aufgabe erfüllen, sondern sich auch sinnvoll in den klinischen Workflow integrieren lassen können. Die Digitalisierung erfordert deshalb auch eine Veränderung der klinischen Arbeitsabläufe. Dies erschwert es, solche ganzheitlichen Transformationen anzustoßen.

Es braucht nicht nur reine Programmierer, die neue Software designen, implementieren und betreiben. Vielmehr braucht es Fachexperten, welche die Prozesse neu designen und die Migration der Bestands-IT zu einer modernen IT-Architektur miteinbeziehen können.

3. Lückenloses Anforderungsmanagement

Eine gute Planung beginnt mit der Erstellung des Anforderungskatalogs. Die hier formulierte Projektvision muss so klar definiert sein, dass Fehlinterpretationen und Missverständnisse im Vorfeld vermieden werden.

Die vollständige und widerspruchsfreie Dokumentation der technischen Anforderungen stellt sicher, dass wichtige Aufgaben und Problemaspekte durch passende digitale Maßnahmen gelöst werden können. Dazu muss jede einzelne Anforderung in Hinblick auf die technische Lösung scharf definiert sein.  Denn nur so lassen sich Erfolgsfaktoren und nötige Maßnahmen für ein Projekt ableiten. Ebenso müssen die Anforderungen klar testbar sein, um die Erfüllung der Anforderungen überprüfen zu können. 

4. Schrittweise Migration

Die neuen Anwendungen oder Systeme müssen in eine bestehende und historisch gewachsene Systemlandschaft integriert werden. Neben der Aufnahme der Ist-IT-Landschaft muss hier eine Soll-IT-Landschaft konzipiert werden, um die schrittweise Migration so zu planen, dass der laufende Betrieb im Krankenhaus nicht behindert wird. Insbesondere ist darauf zu achten, dass bei der Umstellung auf das neue System die Versorgung der Patienten gewahrt wird und der reibungslose Ablauf von Geschäftsprozessen weiterhin sichergestellt werden kann.

Damit die neuen Prozesse durchgängig und ohne Medienbrüche durchgeführt werden können, muss geklärt werden, welche Daten zwischen den beteiligten Systemen ausgetauscht werden und wer bzw. welches System die Verantwortung für welche Daten trägt. Die Ergebnisse müssen dann in Schnittstellenverträgen und -konzepten festgehalten werden.

5. Schutz der hochsensiblen Daten

Eine zentrale Herausforderung eines digitalisierten Gesundheitssystems stellt der Datenschutz dar.  Erklärtes Ziel einer Digitalisierung im Gesundheitswesen ist der vereinfachte Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Leistungserbringern. Dem gegenüber steht allerdings das fundamentale Recht aller Patienten, über die Speicherung, Verarbeitung, Übermittlung und Löschung ihrer Daten frei verfügen zu können. Patientendaten stellen im rechtlichen Sinne sensible, und deshalb besonders schützenswerte Daten dar. 

Die Sicherheitsanforderungen an Anwendungen und Systemen, die im Gesundheitssystemen zum Einsatz kommen, sind dementsprechend hoch. 

Eine genaue Analyse möglicher Angriffspunkte und Schutzmaßnahmen hilft die kritischen Punkte zu identifizieren, um sie bei der Entwicklung zu berücksichtigen. 

6. Multidisziplinäre Teams

Um alle relevanten Themenfelder zur Umsetzung von Digitalisierungsprojekten abbilden zu können, muss das Projektteam ein breites Wissensspektrum abdecken. Eine solche Expertise befindet sich in den deutschen Krankenhäusern erst im Aufbau. Eine deutliche Mehrzahl diese dringend benötigte Expertise fehlt zum jetzigen Zeitpunkt noch.  Auch, um sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können, werden viele Häuser auf externe Unterstützung zurückgreifen müssen. Solche Partnerschaften können die Kompetenzen des eigenen Hauses ergänzen und langfristig unterstützen. Dies bietet die besten Voraussetzungen, um Digitalisierungsprojekte im Gesundheitssystem erfolgreich und nachhaltig umzusetzen.

Fazit

Die Einführung und Etablierung einer erfolgreichen Digitalisierung in Krankenhäusern bringt eine Reihe von spürbaren Vorteilen mit sich. Patienten können von einer gesteigerten Versorgungsqualität profitieren und erfahren somit einen angenehmeren Aufenthalt während ihrer Behandlung. Gleichzeitig wird es den Krankenhäusern ermöglicht, kosteneffizient zu wirtschaften und ihren Mitarbeitern ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten. Der Erfolg dieser Projekte hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die sich auf verschiedenen Ebenen des IT-Management verorten lassen.

Autor: Dr. Masud Afschar, Software Engineer bei iteratec

Symbolbild: Pixabay/succo


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