Der IT-Fachkräftemangel in Krankenhäusern führt zu erheblichem Druck, da wichtige Stellen oft unbesetzt bleiben. Dies erschwert die Digitalisierung, erhöht das Risiko von Sicherheitsvorfällen und belastet die verbleibenden IT-Mitarbeiter stark. Wer auf mehr Personal hofft, hat die Automatisierung nicht verstanden. Automatisierung entlastet Krankenhaus-IT durch KI-basierte Routineaufgaben, steigert Effizienz, reduziert Fehler und kompensiert Fachkräftemangel.
Die KH-IT-Herbsttagung 2025 in Hannover nahm die Mitarbeitenden im Krankenhaus in den Fokus.Der KH-IT Bundesverband der Krankenhaus IT - Leiterinnen/Leiter e.V. konnte rund 270 Teilnehmer begrüßen.
Foto: Außenansicht HCC Hannover Congress Centrum
Der Paradigmenwechsel in der Krankenhaus-IT ist in vollem Gange – und längst kein reines Technologiethema mehr. Digitale Reifegrade steigen, doch der dringend benötigte Personalaufwuchs bleibt aus. Während Investitionen in Digitalisierung neue Technologien, Datenräume und Automatisierungen ermöglichen, kämpfen IT-Abteilungen mit knappen Budgets, Fachkräftemangel und steigender Komplexität. Laut Studien haben 72?Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten, offene IT-Stellen zu besetzen.
Führungskräfte in der Krankenhaus-IT bewegen sich daher in einem Spannungsfeld aus rasantem technologischem Fortschritt, strengen regulatorischen Vorgaben und einem Arbeitsklima, das oft zwischen Überlastung und Transformation schwankt.
Die Rolle der IT-Managerinnen und -Manager ist dabei von einer paradoxen Anforderung geprägt: Sie müssen höchstkritische Infrastrukturen (KRITIS) sicher und resilient betreiben, während sich Technologien, rechtliche Vorgaben und organisatorische Strukturen gleichzeitig in immer kürzeren Zyklen verändern. Reaktiv zu handeln genügt nicht; gefragt ist ein neues Selbstverständnis von Führung, das Sicherheit, Kommunikation und psychologische Stärke verbindet.
Perspektivwechsel als Führungsinstrument
„Das Krankenhaus ist eine Bühne“, sagt Schauspielerin und Coach Susanne?Storck. Führungskräfte übernehmen hier die Regie – mit klaren Ansagen, Empathie und Mut zur Perspektivverschiebung. Ihr Leitgedanke: „Ich und mein Gegenüber sitzen im gleichen Boot, wir haben das gleiche Ziel.“ Diese Haltung schafft Respekt, Vertrauen und Augenhöhe, auch in komplexen Projektkonstellationen.
Storck zeigte auf, wie sich mit kreativen Impulsen und szenischen Methoden Konflikte konstruktiv nutzen lassen, um positive Dynamiken im Team zu entfalten. Führung wird so zur Kunst des Zuhörens und Gestaltens – gerade im Umfeld kritischer Infrastrukturen, wo technische Präzision und menschliche Präsenz ineinandergreifen müssen.
IT-Kommunikation unter Druck – Führung mit Haltung
Wenn IT-Kommunikation unter Druck gerät, ist Klarheit gefragt. Jacqueline?Savli, werteorientierte Business-Coachin und zertifizierte Change Managerin, betonte: „Silos müssen gesprengt, Vertrauen aufgebaut und Tempo gewonnen werden.“ Führung im Wandel bedeute nicht Kontrolle, sondern Verantwortung, Klarheit und Wirksamkeit.
Savli plädiert für transparente Kommunikationsstrukturen: Team-Kodizes, No-Blame-Sessions, regelmäßige Stand-ups und Hospitanzen in Fachabteilungen. Solche Instrumente fördern ein Klima, in dem IT und Klinikbetrieb ein gemeinsames Verständnis entwickeln. „Nur wenn Führung die Sprache von Menschen und Systemen beherrscht,“ so Savli, „kann Wandel gelingen.“
Wichtige Erkenntnis: Technische Probleme löst man mit technischen Mitteln. Menschliche Probleme löst man mit menschlichen Mitteln. IT-Kommunikation braucht immer beides.
Psychologische Sicherheit als Erfolgsfaktor
Alexandra Heimel, IT-Leitung am Klinikum Mittelbaden, und Harald Mansmann vom DevOrg Institut betonten die Bedeutung von Psychological Safety als Voraussetzung funktionierender Teamarbeit. Psychologische Sicherheit beschreibt ein Umfeld, in dem Mitarbeitende offen über Fehler, Zweifel oder Ideen sprechen können – ohne Angst vor Sanktionen.
Ein solches Klima fördert Lernbereitschaft, Verantwortungsübernahme und Innovationskraft. Die DevOrg-Methodik zeigt, wie Teams diese Kultur gezielt entwickeln können, um hindernde Verhaltensmuster zu lösen. Die Auswirkungen sind messbar: höheres Wohlbefinden, stärkere Identifikation mit der Teamleistung und qualitative Verbesserungen in der Arbeit.
Wenn’s brennt – ruhig bleiben und entscheiden
Für Prof. Dr. Andreas Becker zeigt sich in der Praxis deutlich: Fachliches Know-how reicht nicht mehr aus. Entscheidend ist, wie Teams in Krisen reagieren. „Wenn’s brennt, ruhig bleiben – und richtig entscheiden“, lautet sein Credo.
Ob Cyberangriff, Systemausfall oder Krisenlage – in diesen Momenten zählt die Fähigkeit, zwischenmenschliche Dynamiken zu steuern. IT-Leitungen brauchen Klarheit über ihre Rolle, Kommunikationsstärke und Stressresistenz. Mit dem Interpersonal Skills?LAB entwickelt Becker interaktive Trainings, in denen Führungskräfte reale Belastungsszenarien erleben und ihre Handlungsfähigkeit unter Druck festigen.


Kommunikation, Konflikte und Kooperation
Prof. Dr. Jan Appel von Borchers & Kollegen Managementberatung, gab praxisorientierte Einblicke in „Zusammenarbeit unter Druck und in der ständigen Veränderung“. Konflikte seien kein Zeichen von Schwäche, sondern von Bewegung: „Wer Konflikte aktiv gestaltet, kann Veränderung erfolgreich tragen.“
Appel plädiert für eine Kommunikation, die Verbindlichkeit stärkt und Prozesse schlanker macht – auch, um die Personalbindung zu erhöhen. Seine Erfahrungen aus Mediations- und Beratungsprojekten zeigen, dass funktionierende Kommunikation nicht nur den Projekterfolg, sondern auch die Identifikation mit dem Krankenhaus als Arbeitgeber stärkt.
RASCI trifft Realität – Klarheit als Grundlage
Klare Zuständigkeiten gelten als Fundament professioneller IT-Arbeit. Csilla Imre, Abteilungsleiterin IT beim LVZ-Klinikverbund, und Melanie Gustave, Service Managerin bei Nexus, stellten das Konzept RASCI als Organisationsmodell vor, das Verantwortlichkeiten und Informationsflüsse sauber regelt.
„RASCI ist kein bürokratisches Übel, sondern eine notwendige Arbeitsgrundlage“, so Imre. Im Zusammenspiel mit Managed Services entstehen stabile IT-Strukturen, gesteigerte Sicherheit und planbare Kosten. Diese Kombination entlastet Teams und erlaubt, sich auf klinische Kernprozesse und digitale Weiterentwicklung zu konzentrieren.
Automatisierung mit Low-/No-Code – Strategie statt Notlösung
„Wer auf mehr Personal hofft, hat die Automatisierung noch nicht verstanden,“ meinen Bianca Rech (Universitätsklinikum des Saarlandes) und Christian?Wolf (d.velop). Low-/No-Code-Automatisierung ist für sie keine Mode, sondern ein strategischer Hebel, um knappe Ressourcen effizienter einzusetzen. Routineprozesse wie Dienstanträge, Genehmigungen oder Meldungen lassen sich mit wenig Aufwand digitalisieren und entlasten damit Verwaltung wie Pflege. Besonders wertvoll: Mitarbeitende gewinnen Freiräume, um sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Das Universitätsklinikum des Saarlandes setzt bereits auf KI-gestützte Steuerungs‑, Primär- und Unterstützungsprozesse.
Das Hamsterrad entschleunigen
„Under Pressure“ – so könnte das Motto vieler IT-Managerinnen und -Manager lauten. Die Tagung in Hannover machte deutlich: Die Gestaltung psychologischer Sicherheit, der bewusste Umgang mit Konflikten, klare Kommunikationsstrukturen und moderne Automatisierung sind keine Einzelmaßnahmen, sondern Pfeiler einer nachhaltigen Führungsstrategie.
Organisationen, die Vertrauenskultur fördern, bleiben handlungsfähig – auch bei wachsendem Druck. IT-Verantwortliche werden damit zu Kulturarchitekten in einer Umgebung, die Stabilität und Wandel zugleich verlangt.
Die Referenten in Hannover zeigten, wie sich das „Hamsterrad“ entschleunigen lässt – mit neuen Führungsansätzen, offenen Dialogen und praktischen Werkzeugen für Teams, die alltäglich an den neuralgischen Punkten des Klinikbetriebs stehen. Zwei Tage lang bot die Herbsttagung Raum für Erkenntnis, Reflexion und Austausch – ein Stück Entschleunigung inmitten des digitalen Dauerlaufs.
Knowhow-Plattform KH-IT Frühjahr 2026
Der Bundesverband KH-IT veranstaltet jährlich zwei Tagungen für seine Mitglieder, eine Frühjahrstagung in der Regel im Mai und eine Herbsttagung im September. Wegen der bundesweiten Tätigkeit des Verbandes und dabei der praktizierten Nähe zu den Mitgliedern finden die Tagungen an wechselnden Orten in allen Regionen Deutschlands und in Anbindung an Kliniken statt.
Experten der digitalen Transformation und IT-Sicherheit vermitteln Knowhow und Erfahrungen aus der Praxis durch moderne IT für die Versorgung von Patienten. Zudem geben Verantwortliche und Akteure aus Gesundheitsversorgung fundierte Einblicke in individuelle Positionen und Lösungsansätze. Außerdem stellen dem Digital Health Bereich neue Ideen und Lösungen vor.
Die KH-IT-Frühjahrstagung 2026 findet am 20. und 21.5. 26 in Kassel statt. Auf dem Programm stehen KI, Roboik und Future Work. Die Kasseler Frühjahrstagung bietet Raum, Zeit und Ruhe für einen kollegialen Austausch zu individuellen Themen sowie eine Bühne für intensives Networking in produktivem Ambiente.
Plenums-Diskussion
Das Krankenhaus ist eine Bühne

Foto: Susanne Storck, Coach & Schauspielerin
Wenn IT-Kommunikation unter Druck gerät. Silos sprengen, Tempogewinnen, Vertrauen stärken

Foto: Jacqueline Savli, Trainer-/Referentin
Psychologische Sicherheit

Foto: Alexandra Heimel, IT-Leitung, Klinikum Mittelbaden gGmbH,

Foto: Harald Mansmann, Coach & Trainer
Wenn’s brennt, ruhig bleiben – und richtig entscheiden: Wie Sie Ihre Soft Skills stärken

Foto: Prof. Dr. Andreas Becker, Institut Prof. Dr. Becker
Zusammenarbeit unter Druck und in der ständigen Veränderung – Konflikte erkennen, Lösungen gestalten

Foto: Prof. Dr. Jan Appel, Borchers & Kollegen Managementberatung GmbH, Münster
RASCI trifft Realität: Ist Managed Service die Rettung?

Foto: Csilla Imre, Abteilungsleitung IT, LVZ-Klinikverbund, Melanie Gustave, Service Managerin, Nexus
Automatisierung mit Low-/No-Code als Erfolgsstrategie

Foto: Bianca Rech, Bereichsleitung Klinische Verfahren, Universitätsklinikum des Saarlandes,

Foto: Christian Wolf, Senior Acc. Executive, d.velop
Autor: Wolf-Dietrich Lorenz










